Manche treten dich, manche lieben dich
Er hat seine Kollegen voll überzeugt, nicht nur auf dem Fußballplatz. Als Karim Adeyemi am Wochenende während des UEFA Entwicklungsturniers in Portugal vor versammelter Mannschaft singen musste, das ist gemeinhin so Brauch in solchen Gemeinschaften, waren alle angetan, ist zu vernehmen. Er wählte „Dieser Weg“ von Xavier Naidoo. Das Lied, das bei der WM 2006 der damalige DFB-Teamchef Jürgen Klinsmann zur inoffiziellen Hymne des Sommermärchens erkoren hatte. Eine Zeile lautet da „Manche treten dich, manche lieben dich.“ Davon kann der 16-Jährige ein Lied singen.
Adeyemi hat trotz seiner Jugend bereits eine Wegstrecke mit Hindernissen hinter sich. Beim FC Bayern musste er nämlich als Knirps gehen. Sein Glück fand er erst, als er sich 2012 trotz intensiven Werbens des TSV 1860 der SpVgg Unterhaching angeschlossen hat. Dort lieben sie ihn, und er zahlt das zurück, verlässlich, seit Jahren.
Bereits als E-Junior war er einer der Garanten, dass die kleine SpVgg damals zum zweiten Mal nach 2001 den Merkur CUP gewann (unter anderem mit einem 4:0 im Halbfinale gegen den TSV 1860 und einem 4:1 im Endspiel über den FC Bayern). Inzwischen stürmt er in der B-Junioren-Bundesliga. In 15 Spielen traf er 15 Mal. Im November nominierte ihn der DFB erstmals zu einem Sichtungslehrgang, nun debütierte er in der deutschen U 16. Beim 2:2 gegen die Niederlande steuerte er gleich eine Torvorlage bei. Beim 1:1 im zweiten Spiel gegen Italien durfte zunächst die zweite Reihe dran, nach seiner Einwechslung verpasste Adeyemi gleich bei einer Riesenchance seine Torpremiere. Gestern stand er beim 1:1 gegen Portugal erneut in der Startelf.
Manfred Schwabl, Präsident der SpVgg, flog mit Papa Adeyemi extra an die Algarve, um die ersten Schritte in die große Welt vor Ort zu beobachten. „Da reift sanft eine kleine Karriere“, sagt er, „aber man muss schon noch vorsichtig sein: Selbst von der U-16-Auswahl schaffen nur wenige eine Profikarriere.“
Adeyemi ist allerdings eine besondere Figur. Im deutschen Kader in Portugal gibt es fünf Exoten aus der Fußball-Provinz – einer aus Sandhausen, einer aus Bielefeld, einer aus Fürth, einer aus Kiel und eben einer aus Haching; Alle anderen Talente sind bei Erstligisten beschäftigt. Vom FC Bayern wurde bloß Malik Tillmann berufen. Adeyemi wird bereits jetzt international beobachtet. Vor allem in England steht er in den Notizbüchern der Talentspäher.
Die Anfragen häufen sich, sagt Schwabl, „sonst würden diese ganzen Scouts ja irgendetwas falsch machen“. Dennoch hat der Präsident bis auf Weiteres keine Sorgen, dass ihm sein Talent abspenstig gemacht wird. „Weil seine Eltern sehr vernünftig sind und er weiß, dass er hier in Ruhe reifen kann.“ Die Unterhachinger haben bereits einen klaren Plan für ihn: Er wird ab jetzt als junger 16-Jähriger (sein Geburtstag war am 18. Januar) in die U 19 integriert, und ab dem Sommer rutscht er zu den Profis. Sein Vertrag läuft bis 2020, und Schwabl hat auf den jungen Mann ein besonderes Auge, schon immer. Vor dem großen Coup damals im Merkur CUP gab er dem kleinen Karim im Vereinsheim eine Pizza aus, und so wuchs schon bald eine vertrauliche, spezielle Basis. In Unterhaching haben sie gerne gehört, wie bodenständig sich Adeyemi nun auch im Kreise der Jungnationalspieler gibt.
„Das ist uns wichtig, ich sag’ ihm auch immer wieder, dass er nicht glauben soll, er sei schon ein Star – ich krieg’ alles mit“, meint Schwabl mit einem Schmunzeln. In Naidoos Lied heißt es, der Weg werde „steinig und schwer“ – nun, das trifft in der Fußballbranche voll zu. Es kann also nicht schaden, wenn man Menschen zur Seite hat, die einem die Richtung weisen.
von Andreas Werner / Münchner Merkur